Medaille um einen Punkt verpasst - Zum Auftakt über die 100 Meter vom Winde verweht. Trainingskollege und Freund Marvin Gregor holt Silber
Die Emotionen fuhren Achterbahn im Dunstkreis der Berliner Luft. André Düsterhöft wusste am späten Sonntagabend nicht, ob er weinen oder fluchen sollte. Viele Minuten waren vergangen nach dem abschließenden Lauf im Zehnkampf über die 1.500 Meter und es war fleißig gerechnet worden - und dann stand das Endergebnis fest: Der 24-jährige Löhner, der als Aktiver für die LG Kreis Gütersloh startet und Trainer beim TV Löhne-Bahnhof ist, verpasste bei den Deutschen Meisterschaften im Zehnkampf der Männer die Bronzemedaille um einen mickrigen Punkt!
"Das ist sehr ärgerlich und enttäuschend. Es wäre meine erste Medaille bei einer DM gewesen", sagte gestern André Düsterhöft, der die große Enttäuschung mittlerweile weggespült hatte und wieder mit sich im Reinen war. Letztlich kam dann doch noch so etwas wie ein wenig Freude auf über die erzielte Leistung von 6,799 Punkten (Bestmarke sind 7.013 Punkte), denn immerhin war er nach einem Kreuzbandanriss im Knie fast fünf Monate zur Untätigkeit verurteilt gewesen. Erst im April nahm er im Trainingslager der LG Kreis Gütersloh auf Borkum wieder intensiv das Training für den Zehnkampf auf, schuftete unermüdlich, kämpfte sich wieder relativ schnell heran und holte sich im Sommer mit unglaublichen 6.815 Punkten noch das Ticket für die DM im Bundesleistungszentrum Kienbaum bei Berlin. Und vor zwei Wochen kurz vor den nationalen Titelkämpfen schlug das Verletzungspech bei ihm noch einmal zu: Er brach sich den Ringfinger der rechten Hand, als beim Stabhochsprung-Training der Stab brach und die berstende Stange ihn am Finger erwischte. "An dieser Stelle hat es zwar bei Belastung etwas gezwickt, aber es hat mich im Wettkampf bei der DM nicht sonderlich behindert", sagt der Athlet. Nach dem ersten Wettkampftag lag André Düsterhöft ein wenig abgeschlagen mit 3.430 Punkten auf Platz vier und hatte nicht mehr allzu große Hoffnungen auf einen Treppchenplatz ("Mit Platz drei habe ich ernsthaft nicht mehr geliebäugelt"), aber am zweiten Wettkampftag öffnete sich plötzlich doch noch das Medaillen-Fenster, aber es schloss sich auch wieder. Am Ende verpasste er mit nur einem Wimpernschlag das Edelmetall. Nachfolgend chronologisch ein Streifzug durch die Stationen im Zehnkampf:
100 METER
Mit 2,2 Meter pro Sekunde erwischte André den Lauf mit dem heftigsten Gegenwind am Samstag ab 11.30 Uhr. Er wurde regelrecht vom Winde verweht und überquerte mit für ihn mickrigen 12,03 Sekunden (Bestzeit sind 11,61 Sek.) die Ziellinie. "Da ging die Motivation gleich mal in den Keller", sagt der 24-Jährige.
WEITSPRUNG
Bei Nieselregen hatten alle Athleten ihre Probleme. André war mit seinen 6,56 Meter (Bestmarke 6,72 m) auch nicht ganz zufrieden.
KUGELSTOSSEN
Da ging nicht viel bei ihm mit dem 7,26 Kilogramm schweren Sportgerät, er war mit den 11,51 Meter (Bestmarke 12,29 m, in diesem Jahr schon gestoßen) sehr unzufrieden. "Mir hat irgendwie der Spaß im Wettkampf gefehlt, und dann kommt so etwas dabei heraus", sagt André.
HOCHSPRUNG
Das ist seine Parade-Disziplin, stellte er mit 2,00 Meter seine persönliche Bestleistung im Zehnkampf ein. "Ich wäre aber gern mal höher gesprungen im Mehrkampf", sagt Düsterhöft. Und er kann das auch. Im Einzelwettkampf liegen seine Bestmarken über der Latte bei 2,02 Meter Freiluft und 2,03 Meter in der Halle.
400 METER
Zum Abschluss des ersten Wettkampftages war er mit den 52,71 Sekunden (Bestzeit 51,88 Sek.) vollkommen zufrieden.
110 METER HÜRDEN
In dieser Disziplin merkte er die lange Verletzungspause extrem, fehlte der Rhythmus über den Hürden. Somit kamen nur 16,38 Sekunden (Bestzeit 15,84 sek.) heraus.
DISKUSWURF
"Im Einwerfen klappte das noch gut. Ich hatte mir die 40 Meter vorgenommen, doch im Wettkampf ging es dann nicht mehr so gut", sagt André, der in diesem Jahr die Scheibe (2 kg) schon des öfteren über 39 Meter geworfen hatte. Bestmarke sind 39,89 Meter.
STABHOCHSPRUNG
Mit den 4,40 Meter (Bestmarke 4,50 m) war er "komplett zufrieden". Ihn behinderte auch der verletzte Finger nicht.
SPEERWURF
"Das war ganz okay, auch wenn ich ein, zwei Meter gern weiter geworfen hätte", sagt André. Er beförderte das 800 Gramm leichte Sportgerät auf die Weite von 52,43 Meter (Bestmarke 55,30 m) - und witterte plötzlich wieder Medaillen-Luft, denn der nach dem ersten Wettkampftag auf dem 2. Platz rangierende Armin Treichel plagte sich mit Achillessehnenproblemen.
1.500 METER
Startschuss am Sonntag etwa um 20 Uhr. André war in Abwesenheit der deutschen WM-Starter der Schnellste im Feld (Bestzeit ca. 4:25 Minuten). Kaum ein anderer Athlet war nur annähernd in seinem Dunstkreis, so dass es für Düsterhöft kein Duell zum Puschen auf der Strecke gab, er vorneweg ein einsames Rennen und nach 4:32,99 Minuten über die Ziellinie lief. Dem am Ende Dritten in der Gesamtwertung Alexander Everts (nach dem ersten Wettkampftag Sechster) nahm André 24,27 Sekunden ab.
Wäre der Konkurrent noch zwei Hundertstel langsamer gewesen oder André im Umkehrschluss diesen Tick schneller, dann hätte es zur Bronzemedaille für Düsterhöft gereicht. "Letztlich hätte man überall diesen einen am Ende fehlenden Punkt gut machen können. Aber mit hätte, hätte, Fahrradkette kommt man nicht weiter", zieht der 24-Jährige einen Schlussstrich unter diesen letzten Wettkampf in dieser Freiluftsaison. Lob bekommt er von seiner Trainerin Tanja Rolle-Sichau, die ihn vor Ort coachte, motivierte und vom Engagement des Athleten schwärmt: "Der Bursche ist einfach leichtathletik-verrückt. André hat bei der DM alles gegeben und beim abschließenden Lauf über 1.500 Meter hinten raus alles versucht, aber es ging nicht schneller." Im nächsten Jahr wird André Düsterhöft voller Elan wieder angreifen.